Mittwoch, 11. November 2015

Bea Dieker: Vaterhaus

Immobilien des Bösen

Das Wirtschaftswunder lässt nicht nur die Nachkriegskörper zu dick für die filigranen Möbel werden, sondern auch die Häuser wuchern: Metastasierend wächst das Elternhaus, weil das Geschäft läuft und der Wohlstand durch sinnloses Anschaffen ausgestellt gehört. Diekers erinnerte Führung durch die kleinbürgerliche Innenarchitektur zeigt Abgründe, etwa die cholerische Gewalt des Vaters, die Schwäche der Mutter, das Eingesperrtwerden in der Besenkammer. Richtig Einparken erzeugt „Schmalspurstolz“, und ach, die Fixierung der deutschen Seele auf das Auto: Wie ein treuer Hund verreckt der BMW Tage nach dem Tod seines Besitzers.
Die Immobilien der Vorfahren spielen in der aktuellen Literatur eine gewichtige Rolle. Daran knüpft sich die Ratlosigkeit, was mit diesen Häusern anzufangen sei, und wohin die Dinge verschwinden. Dieker führt in ihrem ersten Roman den neophilen Konsumterror der Boom-Jahre vor. Man hat und zeigt, auch den neuen Zeitdruck. „Stress kam in Mode.“ Vor lauter Heimeligkeit wird es immer unbehaglicher im Haus.
Die ich-armen Sätze sind kurz, oft nur ein Wort (und das kennt man nicht: Keder, Rüster, Dralon), um die verstümmelte Sprache zu spiegeln. So wie der Großvater „unsere STUKAS leisten ganze Arbeit … Zigeuner. Charkov“ unter seine Nazi-Fotos schrieb, als „spärlichstes Erzählen“. So wie der Vater, der „Explosionsautomat“, in gewaltsamen Halbsätzen Ruhe herbeibrüllt. So wie der Text quantitativ kaum ein Roman ist. Qualitativ sehr wohl.

Bea Dieker: Vaterhaus. Roman. Jung und Jung, 112 S., 16,90 Euro

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