Die
Studentin Friederike kehrt nach dem Tod ihrer Großmutter von Berlin
in die dörfliche und familiäre Enge zurück. Die beiden eint nicht
nur der Name, sondern ein postum entdecktes Geheimnis: Liebesbriefe,
die im Rezeptbuch ("Tortenprotokoll") versteckt waren.
Jungmaier erzählt in ihrem Debütroman vom rastlos-sinnlosen
Arbeiten, dem Wandel des Agrarsektors, dem nie ganz verflogenen
Zauber einer Jugendliebe und dem ersten, nicht selbst gewählten
Verlust. Die Großmutter hatte trotz ihrer Härte das Liebesdefizit
der Eltern halbwegs ausgeglichen. "In dieser Familie liebt man
sich mit Süßspeisen." Ihr Tod der symbolisiert nicht nur den
Abschied von der Kindheit, sondern viel mehr. Die ratlose Generation
Y reagiert auf das rasante Verschwinden analoger Heimeligkeit in
digitalen Zeiten mit Nostalgie. Die Nachkriegsgeneration hingegen
kippt mit unsentimentaler Härte die Habseligkeiten der toten Eltern
auf den Sperrmüll. Gut auf den Punkt gebracht etwa beim Blick auf
deren Kalender: "Begräbnis.
Darunter: gelber
Sack."
Schwachpunkt
mag sein, dass das Landleben im Kontrast zur städtischen Freiheit
nun schon oft genug als dumpf und beschränkt gezeigt worden ist. Es
wäre wohl spannender gewesen, die neue, neobiedermeierliche
Sehnsucht nach dem Landleben aufs Korn zu nehmen. So leidet ein
weiterer junger, intelligenter Mensch an der Gemeinheit der
Zurückgebliebenen.
Aber
Jungmaier schafft darüber hinaus Bilder, die man sich nicht nur gut
vorstellen kann, weil man die Gegend zu kennen meint, sondern weil
sie ihr Handwerk beherrscht. Etwa hier: "Nach Staub roch es bei
ihr, nach Kuchen und altem Fett." Oder beim gemeinsamen
Fernsehen: "Wenn sie Marika Rökk in der Csardasfürstin
sah, glänzten ihre Augen, wie bei allem Vergangenen, das deutsch war
und heil."
Marianne
Jungmaier: Das Tortenprotokoll. Roman. Kremayr & Scheriau
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